Ohne Wolfgang wär's arschkalt

"Du wirst an mich denken", prophezeite Wolfgang mir. "Ständig."

Damit hatte er Recht, wobei ich ihm sagte, dass es meinen Partner, in dessen Anwesenheit diese Prophezeiung gemacht worden ist, womöglich nicht Recht sei, wenn ich ständig an einen anderen Mann denken würde. Er hätte auch Kinder und eine Frau, meinte Wolfgang. Und ein guter Verkäufer sei er auch. Das müsse er wohl sein, um die Kinderschar zu ernähren, entgegnete ich. Aber ich gestehe: Ich denke mehrmals am Tag an ihn. Sein Rat, mir bei ihm im Vaude in Lindau einen Winterwanderrock zu kaufen, den ich nun über meiner Winterwanderhose trage, ist unbezahlbar. Es ist so kalt im Süden von Deutschland. Ohne Rock arschkalt. Auch in der Drogenhölle Lindenberg, in deren Gaststuben an einem Montagabend eher die alten Semester sitzen, die wohl kaum mehr in heisse Geschäfte verwickelt sind. Aber sie sitzen hier, diskutieren miteinander, lesen Zeitung, essen stumm ihre Weisswürste oder ihren Schweizer Wurstsalat. Und sie werden am nächsten Abend wieder kommen, weil ihnen die Wirtin vom Bayerischen Hof ein "Bhüets di" mit auf den Nachhauseweg gibt.

"Ich kann Sie nicht draussen lassen, auch wenn wir bis Sonntag geschlossen haben", sagt die Inhaberin der Pension Sternberg in Grünenbach und schaut mitleidig zu Mira, die ihren Depro-Blick aufgesetzt hat und unter ihren beiden roten Gepäcktaschen zusammenzubrechen droht, obwohl ich ihr schweres Bagage schon am ersten Tag übernommen habe. Tee und wohl das persönliche Kuchenstück von Frau Braun wird mir aufgetischt; auf ihren Dialekt angesprochen erzählt sie mir, dass sie aus Weissrussland kommt, dort ihre Freude an Sprachen entdeckt hat, am liebsten Dolmetscherin geworden wäre, aber das Leben meinte es anders. Englisch, Deutsch - "und Italienisch", unterbreche ich sie, "sonst würde ja nicht italienisches Radio laufen." Frau Braun gerät ins Schwärmen. Weil sie diese Sprache so schön findet, hat sie sie in Abendkursen gelernt. "Aber das ist kein italienisches Radio", sagt sie, "es kommt aus der Schweiz, dort haben sie auch ein Radio auf italienisch." Und nirgends auf deutschen Kanälen fände sie so gute und vielseitige Sendungen.
Da ich ja nun wie alle Schweizerinnen und Schweizer (gibt es Schwarzseher und -hörerinnen, die diesen Blog lesen?) Billag bezahle, erlaubte ich es mir, ein klitzeklein wenig stolz zu sein, bevor ich in der Kälte weiterzog nach Maierhöfen.