Sorge und Elend

Nein, das hätte ich nicht geschafft: Den Buggy durch Matsch und Schnee auf den Brocken, den höchsten Gipfel im Harzgebirge, zu schieben. Ein Vergnügen war's, mit der Dampfbahn hinauf zu fahren, vorbei an Sorge und Elend, auch wenn mir nach Tagen der Einsamkeit die vielen Touristen und Wanderer etwas komisch vorkamen.

Wie Benneckenstein mit der Pension Blechleppel lagen auch die Orte Sorge und Elend (sowie Schierke, Stapelburg, und Ilsenburg) zu DDR-Zeiten im Sperrgebiet, das am Brocken 1961 errichtet worden ist. Ungefähr parallel zum Grenzverlauf in östlicher Richtung befand sich dieser fünf Kilometer breite Streifen. Zufahrtsstrassen zu ihm waren durch Schlagbäume und Kontrollposten unterbrochen. Der Zugang war Einwohnern gestattet, die einen besonderen Vermerk in ihren Personalausweisen trugen, außerdem Besuchern mit entsprechender, zeitlich begrenzter Aufenthaltserlaubnis, schriftlich niedergelegt in einem Passierschein.

"Die Menschen an der Grenze waren wie eingesperrt", erzählt mir eine Frau aus Mecklenburg, die nun mit ihrem Mann und Freunden im Harz Ferien macht. Auch während der DDR war das Harzgebiet ein Winterurlaubsziel, vor allem für Funktionäre.
Die Frau erinnert sich, wie sie selber von Gefühlen überwältigt worden sei, als sie nach dem Fall der Mauer zum ersten Mal nach Österreich fahren durfte. "So viel Schönes! Damals wurde mir bewusst, was uns der Staat in unserer Jugend alles vorenthalten hat. Hätten sie uns doch reisen lassen, wir wären doch wieder zurück gekommen. Man geht doch nicht einfach von dort weg, wo Heimat ist."


NDR.de: Obwohl es in der DDR tabu war, über die Grenzanlagen und den Klassenfeind zu reden, warb die Obrigkeit (in Bezug auf den Brocken) um Verständnis: "Die exponierte Grenzlage des Brockens macht es aus Gründen der Sicherung unserer Staatsgrenze auch nicht möglich, ihn zu besuchen. Erfreuen wir uns daher an seinem majestätischen Anblick, wie er, gleichsam über dem Gebirge thronend, von einigen Punkten der Umgebung des Ortes zu betrachten ist. Wehklagen ist unangebracht, ist er doch gewissermaßen ein Wächter für unser aller Sicherheit."

Heute ist der Brocken ein beliebtes Ausflugsziel für alle Deutschen.